AM TAG X DIE WELT MEISTERN

Ehe das neue Jahr noch so richtig Fahrt aufgenommen hat, folgt bereits ein Großereignis auf das nächste. Im Sport werden die Weltmeisterinnen und Weltmeister in den unterschiedlichsten Disziplinen gekürt.

In der Wirtschaft nehmen sich viele Unternehmen zum Auftakt des neuen Jahres noch die Zeit, Vergangenes zu würdigen, doch im selben Atemzug nutzen sie diese Gelegenheit auch schon dafür, ihre Ziele, Vorgaben und Ausrichtungen für das bevorstehende Jahr 2019 klar und mit entsprechendem Nachdruck an alle Beteiligten zu kommunizieren.

Im Spitzensport steht das Motto „Go for Gold“ klar im Mittelpunkt. Aber selbst wenn die Silber- und Bronzemedaillengewinner am Erfolgskuchen noch mitnaschen dürfen, wird der Hunger des zweiten oder dritten Siegers dadurch kaum gestillt.

Ich kam als Athlet in den Genuss einiger solcher Kostproben.

In der Wirtschaft wird es mit allen Mitteln und unter hohem Aufwand tunlichst vermieden, nur auf dem Podest des zweiten oder dritten Siegers zu landen. Denn den Kuchen des Erfolgs beansprucht nur der Erste für sich ganz alleine.

Ziele und deren Perspektiven

Als Athlet war das Thema der Zielsetzung für mich ein ständiger Begleiter. Institutionen, Verbände, Ausrüster, Sponsoren, Arbeitgeber, Unterstützer und natürlich auch ich selbst waren bestrebt, die kurz-, mittel- und langfristigen Ziele festzulegen – und zwar so konkret wie nur irgendwie möglich. Denn gesetzte Ziele gewähren Sicherheit und sollen das Risiko minimieren, vom eingeschlagenen Weg abzukommen.

Außerdem sollen die Störfaktoren für angestrebte Erfolge möglichst kleingehalten werden: Es galt, alles dafür zu tun, um am Tag X das gesamte Potenzial auszuschöpfen.

Ich kann mich noch gut an meine Anfänge im Skigymnasium Stams erinnern: Der Frage meiner Lehrer und Trainer nach den Zielsetzungen entgegnete ich mit dem schlauen Spruch „Der Weg ist das Ziel.“

Wenngleich dieser Satz bis heute seine Berechtigung hat, hatte er auch schon vor knapp 30 Jahren einen zu langen Bart, um einfach durchgewinkt zu werden.

Ich experimentierte in den knapp 20 Jahren, die ich mir im Spitzensport dafür Zeit nehmen durfte, unweigerlich mit allen möglichen Varianten verschiedenster Zielsetzungen.

Am häufigsten gelang es mir, mir von den selbst gesetzten Zielen den Weg versperren zu lassen. Ich erlebte zudem, wie ein Ziel ums andere einfach weg war – unabhängig davon, ob ich es erreicht hatte oder eben nicht. Ich war Meister darin, die eigenen Ziele über- oder unterzubewerten.

Es hat viele Tage X gebraucht, ehe ich vor mir selbst ganz ehrlich zum Ausdruck bringen konnte: „Heute ist schon wieder Tag X. Und: Ich freu mich wirklich darauf!“

Damit diese echte Vorfreude am Tag X eine realistische Chance bekommt, braucht es Übung. Im besten Fall sogar selbstbestimmte Übung – denn diese ist bekanntlich die Mutter aller Fähigkeiten. Wenn wir auf diese Weise unseren Alltag zum Üben nutzen, wird jeder Tag zu einem Tag X.

Das Ziel liegt in der Qualität des Weges

In diesem Satz liegt für mich ein klarer Auftrag. Die gute Nachricht: An jedem einzelnen Tag können wir genau das üben und dadurch diesen Auftrag leben. Auf diese Weise die Welt in uns und dadurch auch die Welt um uns herum zu meistern: Daraus entsteht wohl wahre Meisterschaft! Dabei stets einen Weg einzuschlagen, bei dem wir mit jedem Schritt von uns behaupten können: Mir taugt mein Alltag mit allem, was dazu gehört – an jedem Tag X –, und dafür bin ich dankbar.

Wann immer ich mit dieser Haltung einem Großereignis begegnet bin, war ich nicht nur erfolgreich, sondern hatte auch wirkliche Freude bei dem, was ich da ausüben durfte.

Denn nur, wenn ich etwas mit echter Freude mache, lässt sich die Frage nach dem „Warum“ mit selbstbestimmter Überzeugung und aus tiefstem Herzen beantworten. Die Art der Antwort macht eben den entscheidenden Unterschied.

Am Tag X besser sein zu wollen, als das eigene Potenzial hergibt, ist der Misstrauensantrag an sich selbst und an die gesamte Wegstrecke bis zu dem Punkt, an dem man sich gerade befindet.

Damit der Qualität des Weges die gesamte Aufmerksamkeit zukommt, braucht es Präsenz. Präsenz kann jeder von uns jeden Tag üben. Dies selbstbestimmt zu tun, heißt, es gar nicht verhindern zu können, darin besser zu werden und sich weiterzuentwickeln. Dass dadurch jeder Tag zu einem Highlight wird, ist nicht der Anspruch, aber durchaus ein schöner Nebeneffekt. Vielleicht gelingt es nicht während des gesamten Jahres, aber beispielsweise HEUTE. Es ist übrigens nur eine Frage der Zeit, bis das Morgen wieder zum Heute wird.

Und: Sollten wir uns bei unserer Nicht-Präsenz ertappen, sind wir schon wieder präsent.

Üben hilft fürs Welt meistern

Für mich ist es immer wieder beeindruckend, was möglich wird, wenn sich Menschen Zeit nehmen: Zeit für sich und damit auch für andere. Sowohl in meiner Arbeit als Vortragender und Trainer im Unternehmenskontext als auch bei unseren öffentlichen Trainings bin ich immer wieder berührt, den Unterschied mitzuerleben, wenn wir mehr von dem tun, was uns nützt und nährt, und weniger von dem, was uns schadet und uns daran hindert, das zu tun, was wir wirklich wollen.

Wenn wir die Welt in uns und um uns herum auf diese Weise meistern, dann stehen wir uns am Tag X nicht selbst im Weg.

Und dadurch hat jeder von uns die Möglichkeit, zu erleben, warum wir tun, was wir tun.

In diesem Sinne: viel Freude beim Weiterüben, Weiterscheitern und Weiterdranbleiben …

Alles Beste,

Felix

 

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